Nachhaltigkeit in der Kaffeeindustrie - wie umwelt- und sozialschädlich ist Kaffee wirklich?
Egal ob kleines Spezialitätenkaffee oder Großkonzern, jeder wirbt damit noch nachhaltiger zu sein. Mindestens einmal mehr als der Andere! Zu oft wird Nachhaltigkeit als Marketing-Instrument verwendet, ohne dass dabei Bewusstsein dafür geschaffen wird, welche Bereiche tatsächlich einen Einfluss auf die Nachhaltigkeit im Kaffeesektor haben.
Wie definieren wir diesen Begriff, der uns ständig umgibt und was bedeutet er für dich?
Bei unbound sind wir uns einig, dass Nachhaltigkeit in der Kaffeeindustrie wichtig ist. Trotzdem hat jeder von uns eine andere Vorstellung von der eigentlichen Bedeutung – wie du wahrscheinlich auch.
Deshalb begeben wir uns auf die Suche nach einer Antwort auf die Frage: Kann Kaffee überhaupt nachhaltig sein? Und wenn ja, wie soll das gehen?
Für die Beantwortung blicken wir deshalb genauer auf die lange Reise der Kaffeebohne – von der Farm bis in deine Tasse.
Inhaltsverzeichnis
Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich?
Mittlerweile hat sich der Begriff Nachhaltigkeit zu einem Trendwort entwickelt und ist aus unserem Sprachgebrauch nicht mehr wegzudenken. Jedoch findet man schwer eine offizielle, alles übergreifende Definition. Vielmehr ist es ein dehnbarer Begriff mit Richtlinien, an denen wir uns orientieren können, um ökologische, ökonomische und soziokulturelle Ressourcen langlebig zu verbrauchen.
Folgenden Generationen sollten diese im gleichen Ausmaß und vor allem in der gleichen Qualität zur Verfügung stehen wie uns jetzt. Wir müssen daher achtsam mit Ressourcen umgehen, um diese langfristig erhalten zu können. Einfach gesagt: Kaffee sollte nur in dem Ausmaß konsumiert werden, wie es die Regeneration der Natur erlaubt. Doch was heißt das nun für unsere Realität?
Wo Nachhaltigkeit beginnt
Kaffee gilt als das am häufigsten konsumierten Getränk in Österreich und Deutschland. Die Kaffeepflanze wächst allerdings ausschließlich in tropischen und subtropischen Klimazonen. Bedeutet, man kann hier schon mal nicht mehr von Regionalität sprechen.
Dazu kommt noch der enorme Wasserverbrauch bei der Aufbereitung von Kaffee. Das Water Footprint Network entwickelte den sogenannten Wasserfußabdruck und berechnet einen Wasserverbrauch von ca. 21.000 Liter Wasser pro 1 kg Kaffee. Zwar fällt ein Großteil des Wassers auf natürlichem Weg an – vor allem durch Regen und bleibt somit im Kreislauf der Natur – jedoch muss anderes Wasser gefördert und verschmutztes Wasser richtig aufbereitet werden.
Zusätzlich zu einer achtsamen Nutzung von Regenwasser und aufbereitetem Wasser sollte der Fokus auf einer biologischen Herstellung liegen, was aber nicht immer gleich in Verbindung mit einem Bio-Zertifikat stehen muss.
Wichtig dabei ist die ökologische und organische Schädlingsbekämpfung, statt der Anwendung von Pestiziden und Herbiziden. Wir arbeiten deshalb auch teilweise mit dem EU-Bio-Siegel. Bei unserem nicht bio-zertifiziertem Rohkaffee achten wir natürlich auch auf die gleichen Kriterien.
Bedeutet unser Rohkaffee wird mit Verzicht auf chemischen Dünger, Pflanzenschutzmittel sowie ohne jegliche Genmanipulation produziert. Die Kaffeepflanze wird meist innerhalb einer sogenannten Mischkultur angebaut und wächst im Schatten anderer Pflanzen, wie zum Beispiel Bananenstauden.
Der weite Weg vom Äquator bis nach Tirol
Sobald sich der Rohkaffee nun auf den Weg zu uns in die Rösterei macht, kommen wir zur nächsten Hürde - der Lieferkette. Hier vermuten wohl die meisten den größten Einfluss auf die Nachhaltigkeit. Doch stimmt das wirklich?
Das Öko-Institut ermittelt einen CO2-Fußabdruck von bis zu 101,35g CO2 pro Tasse Kaffee. Allerdings werden dabei alle angefallenen Emissionen berechnet. Sprich angefangen vom Anbau, bis hin zur Entsorgung. Den größten Einfluss haben dabei Anbau und Verarbeitung der Kaffeepflanze.
Eine weitere Rolle spielt auch die Wahl der Zubereitungs-Methode. Hier macht es einen Unterschied, ob du deinen Kaffee zum Beispiel mit einer Aeropress (Einziger „Müll“: kleiner recyclebarer Papierfilter), oder einer Kapselmaschine (6g Verpackungsmüll auf 5g Kaffee) zubereitest. Somit befindet sich der eigentliche Transport des Rohkaffees überraschenderweise erst an dritter Stelle dieser Aufschlüsselung. Das macht diesen Schritt vergleichsweise „harmloser“, allerdings ist dieser CO2-Ausstoß noch lang nicht ausgeglichen.
Zum Beispiel wird bei unserem Pacha Mama Kaffee aus Peru die Klimabelastung durch den Erwerb von Klimaschutzzertifikaten ausgeglichen. Ganz konkret werden Waldaufforstungsprojekte in Peru und ein Wasserkraftprojekt in Uganda damit unterstützt. Wir wissen jedoch, dass wir hier erst am Anfang eines langen Wegs stehen. Am liebsten würden wir natürlich mit allen Kaffees wertvolle Projekte unterstützen, um so unseren CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Leichter gesagt als getan, aber das ist ein Thema, das uns sehr am Herzen liegt, bei dem wir versuchen uns immer weiter zu verbessern.
Siegel & Zertifikate – was sie versprechen und tatsächlich bewirken
Um kostendeckend zu arbeiten, benötigt ein Kaffeebauer einen Kilopreis von ca. 1,90 €. Der aktuelle Börsenpreis liegt bei durchschnittlich 1,50-1,60 € pro kg. Unter dem Fair-Trade-Siegel gehandelter Kaffee bedeutet, der Farmer erhält einen stabilen Preis für die Kaffeebohne unabhängig vom Weltmarkt.
Auch wenn solche Zertifikate grundsätzlich gute Absichten haben und rein durch deren Existenz Bewusstsein schaffen, scheitert es oft an der Ausführung.
Vor allem kleine Farmen haben große Schwierigkeiten, Siegel zu bezahlen. Eine Vielzahl der Farmer bauen ihren Kaffee unter Bio-Bedingungen an, können oder wollen sich aber kein Bio-Siegel leisten. Laufende Kontrollen, erschwerte Bedingungen, Risiko durch Ernteausfälle – all das lastet auf den Farmer-Familien. Wohin geht der Aufpreis diverser Zertifikate wirklich und wie viel schütten diese Organisationen tatsächlich an ihre Bauern aus? (Lies HIER mehr über die Preisstrukturen am Kaffeemarkt.)
To Go Einwegbecher – aka „der große Klimasünder“?
Jeder Österreicher trinkt im Jahr durchschnittlich 162 Liter Kaffee. Dabei werden zwar ungefähr 63 Prozent zuhause konsumiert, doch was passiert mit den restlichen 37 Prozent?
„Jetzt noch einen Kaffee zum Mitnehmen“ Das denken nicht nur wir ab und zu, sondern auch ein großer Teil der Kaffeeliebhaber. Dieser „Kaffee to go“ wird allerdings meist nicht in nachhaltigen Behältern ausgeschenkt. Die durchschnittliche Lebensdauer eines solchen Wegwerfbechers liegt nur bei 15 Minuten! In Österreich wanderten 2019 ca. 300 Millionen Becher – 800.000 pro Tag – in den Müll.
Bevor wir uns für ein nachhaltigeres Pfandsystem entschieden haben, waren auch wir Teil des Problems. Um unseren Kunden ihren „Kaffee to go“ nicht zu verwehren, haben wir diesen in Wegwerfbecher angeboten, da wir bis dato einfach keine bessere Lösung hatten.
Unsere Antwort auf diesen Wahnsinn sind nun BPA freie wiederverwertbare Kaffeebecher aus Polypropylen. Diese Mehrwertbecher können bis zu 1000-mal gespült werden, bevor wir sie dann wieder zurück zur Produktion schicken. Dort werden sie eingeschmolzen, weiterverarbeitet und erneut zu Mehrwert-Bechern gemacht. Das Ganze spart nicht nur Ressourcen und Rohstoffe, sondern auch Kosten (zum Ökocup). Ein wunderschöner, möglichst nachhaltiger Kreislauf des Lebens also!
Neben der Einführung von nachhaltigen Kaffeebechern sind wir auch ständig auf der Suche nach einer besseren Alternative für unsere Kaffeeverpackungen und versuchen dabei unsere Entscheidungen so transparent wie möglich zu kommunizieren. Gerne kannst du HIER mehr darüber nachlesen.
Was wir tun und was wir noch besser machen können und werden
Als kleine Third Wave Kaffeerösterei haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Wissen zu sammeln und zu vermitteln, um ein höheres Bewusstsein für den täglichen Kaffeekonsum schaffen zu können. Sodass am Ende jeder weiß, was richtig guten Kaffee ausmacht, wie viel Leidenschaft und harte Arbeit dahintersteckt und was der Preis ist, den man bereit sein sollte, dafür zu zahlen.
Das alles funktioniert nur durch Transparenz, Verantwortlichkeit und vor allem Lernbereitschaft.
Wir wählen unsere Farmen deshalb gezielt nach Kriterien aus, die dir unbeschwerten Kaffeegenuss ermöglichen. Wir stehen für fairen, transparenten Handel und den Aufbau von langfristigen, sinnvollen Partnerschaften mit Farmern, Farmen und kleinen Farmkooperativen. Mit unserem „Trace back to Farm“ – Siegel wollen wir dir als Konsument die Möglichkeit geben, unseren Kaffee bis zum Ursprung zurückzuverfolgen, um dir so eine Anlaufstelle für eine unabhängige Kontrolle zu bieten.
Am nachhaltigsten wäre es wenig bis keinen Kaffee zu trinken, aber das wollen wir natürlich nicht. Dafür schmeckt er einfach zu gut! Deshalb werden wir weiter an unseren Lieferketten und Produktionsprozessen arbeiten, um ein möglichst nachhaltiges Produkt zu kreieren und uns fortlaufend verbessern. Das können wir unserer Meinung nach nur schaffen, wenn wir uns stetig selbst hinterfragen, offen mit unseren Fehlern und den Herausforderungen umgehen und vor allem den gesamten Prozess von der Farm bis in deine Tasse möglichst transparent gestalten.